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Ein Leben mit Parkinson – Interview mit Stefan Dargel

Ergänzend zu unserem Beitrag über Parkinson, haben wir ein Interview geführt. Stefan Dargel berichtet hier über sein Leben mit der Krankheit und die Diagnose.

Inhalt

Stefan Dargel ist an Parkinson erkrankt. Er ist pensionierter Lungenfacharzt und Gruppenleiter der Regionalgruppe Kassel der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V. Wir haben mit ihm über seine Erkrankung gesprochen:


Herr Dargel, Sie sind nun seit mittlerweile 10 Jahren mit Parkinson diagnostiziert. Wie kam es zu dieser Diagnose?

Es begann mit der rechten Hand, da hatte ich manchmal ein leichtes Zittern. Ich wurde ab und an auf das Zittern angesprochen, aber, wie das so ist, habe ich das erstmal abgetan und auf Stress, oder vermehrte Muskelanspannung bei ungewohnten Körperhaltungen – wie zum Beispiel bei Arbeiten über Kopf – geschoben.

Zusätzlich zum Zittern, wurde meine Schrift im Verlauf einer Zeile immer kleiner und feinmotorische Tätigkeiten mit raschen Wiederholungen schwerer, sodass ich mich zum Beispiel beim Rasieren öfter geschnitten habe. Meine Schritte wurden mit der Zeit auch kleiner, das habe ich am Anfang aber noch nicht so stark gemerkt. Hinzu kam dann noch, dass ich mich beim Autofahren unsicher gefühlt habe. Manchmal fühlte es sich an, als würde ich vom Sitz rutschen, obwohl das nicht so war.

Irgendwann habe ich gesehen, dass es ohne Diagnostik nicht weiter geht. Deshalb habe ich, um unter anderem einen Tumor auszuschließen, ein MRT veranlasst. Dort wurde nichts gefunden, weshalb ich mich bei einer Spezialklinik für Parkinson vorstellte. Mittels L-Dopa-Test und DAT-Scan wurde schlussendlich Parkinson diagnostiziert.


Was geschah nach der Diagnose?

Es folgte die medikamentöse Einstellung: erst mit einem selektiven MAO-B-Hemmer und nach ca. 1 ½ Jahren bei voranschreitender Symptomatik mit L-Dopa, dem Enzymhemmer Entacapon, der die Wirkung von L-Dopa verlängert und zusätzlich mit einem Agonisten. Dieser wirkt ähnlich wie L-Dopa, aber hat mehr Einfluss auch auf nicht-motorische Symptome.

Ich habe zunächst versucht, mein Leben normal weiterzuleben, eben mit der Medikation. Man kann in den meisten Fällen eine Zeit lang zumindest die motorischen Symptome recht gut beherrschen. Nach 2 ½ Jahren Erkrankung musste ich meine Praxistätigkeit als Arzt aufgeben.  

Da die Krankheit immer weiter fortschreitet, habe ich mich im vergangenen Jahr zu einer Tiefen Hirnstimulation entschieden.

Info: Die Tiefe Hirnstimulation ist eine Therapie zur Behandlung von Parkinson, bei der zwei Elektroden in das Gehirn implantiert werden und dort bestimmte Gehirnregionen dauerhaft stimulieren.


Damit geht es mir insoweit gut, als dass keine extremen Off-Zustände mehr aufgetreten sind und ich die Dosis von L-Dopa, sowie des Agonisten reduzieren und den MAO-B-Hemmer ganz absetzen konnte.

Info: Off-Phasen werden die Phasen genannt, in denen Medikamente gegen Parkinson keine Wirkung zeigen.


Allerdings wirkt sich die Stimulation deutlich besser auf die Beweglichkeit der Arme, als auf die der Beine aus. Das hat für mich zur Folge, dass ich, wenn ich ausreichend L-Dopa für die Beine nehme, doch manchmal Über-Beweglichkeit und leichte Artikulationsstörungen bemerke.


Wie veränderte sich Ihr Alltag seit der Diagnose?

Grundsätzlich wird man langsamer, einfach in allem. Gehen klappt nicht mehr so flott und man ist auch nicht mehr so geschickt.

Wenn andere Diagnosen dazukommen, wie bei mir eine Knie-Arthrose und eine Spinalkanal-Stenose (letztere wurde vor kurzem erfolgreich operiert), wird das Gehen noch schwieriger, denn durch ständige Schmerzen wird man unsicherer. Auch ist dann manchmal die so wichtige regelmäßige Gymnastik nicht, oder nur sehr eingeschränkt möglich. Man gerät dann leicht in einen Teufelskreis von zunehmender Resignation, die einen daran hindert, einerseits weiter nach der besten Behandlung für alle seine Beschwerden zu suchen und andererseits aber auch die empfohlene Behandlung, wie spezielle Körperübungen mehrmals pro Woche, durchzuhalten.


Welche Rolle spielen Ihre Familie und Freunde seit der Diagnose (in Ihrem Alltag)?

Meine Frau arbeitet noch als Ärztin in eigener Praxis, und hat dementsprechend schon viel um die Ohren. Zeitweise hatten wir ziemliche Konflikte nach dem Eintritt meines Ruhestandes. Dies lag unter anderem an mangelnder Krankheitseinsicht meinerseits, der Notwendigkeit eines geänderten Zeitmanagements, der Sinnsuche nach dem ‚Verlust des Jobs‘ und daran, dass ich teilweise – wohl auch medikamentös bedingt – zu viel Zeit für Hobbys verwendet habe.

Anzuerkennen, wie schwierig für einen selbst und für den Partner die Veränderungen sind, die eine chronische progrediente Erkrankung mit sich bringt, ist echte Schwerstarbeit.

Ansonsten unterstütze ich meine Mutter. Sie ist inzwischen über 100 Jahre alt und lebt im betreuten Wohnen. Da sie dortbleiben und ein Pflegeheim um jeden Preis vermeiden möchte, helfe ich ihr, wo ich kann.

Die Familie meiner Frau lebt etwas weiter entfernt. Eine unmittelbare Unterstützung durch sie ergibt sich insbesondere durch die Schwestern meiner Frau, die sich abwechselnd um meine inzwischen verwitwete Schwiegermutter kümmern.   

Wir haben viele Freunde in und um Kassel, aber auch verteilt in ganz Deutschland, die sich immer wieder melden und auch Unterstützung anbieten. Das hilft gegen das manchmal aufkeimende Gefühl, dass man doch nicht mehr so richtig zum ‚normalen Leben‘ dazugehört.


Was würden Sie Personen empfehlen, die vor kurzer Zeit die Diagnose Parkinson erhalten haben?

Eine Behandlung durch einen Neurologen, der eine möglichst gute Kenntnis über die Erkrankung hat, sowie eine wirklich genaue Diagnostik. Außerdem würde ich empfehlen, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Der Austausch untereinander und gemeinsame Unternehmungen – das verbindet. Natürlich sieht man dort auch die fortgeschritteneren Stadien. Dennoch ist es in meinen Augen besser, das gemeinsam zu verarbeiten, als irgendwo alleine auf eine Verschlechterung zu warten.


Welche Dinge muss man beachten, wenn man die Diagnose bekommt?

Wichtig ist zum einen die Wirkungen, aber auch genauso die Nebenwirkungen der Medikamente zu beobachten und seinem Arzt mitzuteilen. Zum anderen sollte man eine kritische Selbstwahrnehmung haben: Was kann ich selbst wirklich noch leisten? Wo brauche ich Hilfe? Wo kann ich sie beantragen? Und wer hilft mir dabei?


Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Personen und ihre Angehörigen mit dieser Erkrankung?

Es gibt verschiedene Hilfsmittel speziell für an Parkinson Erkrankte: So zum Beispiel ein Taktgeber, der unterstützt, wenn man Freezing, also ein unvorhersehbares Erstarren, beim Gehen hat. Die Sanitätshäuser können Patienten zu den passenden Hilfsmitteln in der Regel gut beraten. In vielen Städten gibt es spezielle Beratungsangebote durch Referate für Behinderte, unter anderem auch Wohnraumberatung bei gegebenenfalls notwendigen Umbaumaßnahmen.

Wenn man einen Pflegegrad hat, zu dessen korrekter Bestimmung Ihre Organisation häufig beiträgt, kann man natürlich die verschiedenen Geldtöpfe nutzen. Vor allem den Entlastungsbetrag kann man gut für Unterstützung in der Haushaltsführung oder beim Einkaufen nutzen. Außerdem sollte man beim Versorgungsamt einen Grad der Behinderung beantragen und sich einer Selbsthilfegruppe anschließen.

Meiner Meinung nach sollte man, so viel man rechtlich einwandfrei abschöpfen kann, auch abschöpfen. Auch wenn es einem selbst schwerfällt, sich als behindert und/oder pflegebedürftig einzustufen.

Vielen Dank, Herr Dargel! Wir wünschen Ihnen alles Gute!


Bei weiteren Fragen zum Thema Parkinson, finden Sie in diesem Artikel zusätzliche Informationen.

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