Inhalt
- Pflegegrad oder Pflegestufe?
- Wann sollte ein Pflegegrad beantragt werden?
- Wo und wie beantrage ich einen Pflegegrad?
- Wie geht es nach dem Antrag auf Pflegeleistungen bei der Pflegeversicherung weiter?
- Begutachtung durch den Medizinischen Dienst: Was erwartet mich?
- Führen eines Pflegetagebuchs
- Tipps für Angehörige: Wie Sie beim Pflegegrad beantragen unterstützen können
- Bearbeitungsdauer Pflegegradantrag
- Welche Pflegeleistungen stehen mir mit einem Pflegegrad zu?
- Pflegegrad für Kinder beantragen
- Antrag auf Höherstufung des Pflegegrads bei der Pflegekasse: Wann und wie?
- Pflegegrad abgelehnt – Widerspruch einlegen
- Wurde Ihr Pflegegrad falsch berechnet?
- Fazit
- Häufig gestellte Fragen
Bevor Sie Leistungen von der Pflegekasse erhalten können, muss eine Pflegebedürftigkeit festgestellt werden. Dies geschieht durch Bestimmung des Pflegegrads. Dafür werden Pflegebedürftige durch den Medizinischen Dienst (MD, früher MDK) oder MEDICPROOF – bei privat Versicherten – begutachtet. Im Anschluss erhält die Pflegeversicherung das Gutachten und entscheidet über die Höhe des Pflegegrads.
Wir erklären Ihnen, was Sie für die Beantragung des Pflegegrads unternehmen müssen.
Pflegegrad oder Pflegestufe?
Eingeleitet durch das Pflegestärkungsgesetz (PSG) II, das am 1. Januar 2017 in Kraft trat, wurde die Pflegeversicherung umgestaltet, um so den unterschiedlichen Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen besser gerecht zu werden.
Vor der Einführung des PSG II gab es drei Pflegestufen (I, II und III), ergänzt durch die sogenannte “Pflegestufe 0” für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, vor allem für Demenzkranke. Die Einstufung in diese Pflegestufen basierte hauptsächlich auf dem körperlichen Hilfebedarf bei der Grundpflege, wie Körperpflege, Ernährung und Mobilität, sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung. Entscheidend für die Einstufung war der zeitliche Aufwand, der für die Pflege benötigt wurde. Dieses System war primär auf körperliche Beeinträchtigungen ausgerichtet, wodurch Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Demenz oft nicht adäquat berücksichtigt wurden.
Mit der Reform wurden die Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt, um eine feinere Abstufung der Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen. Die Einstufung in einen Pflegegrad berücksichtigt nun neben dem körperlichen auch den psychischen und kognitiven Unterstützungsbedarf. Es wird nicht mehr nur der zeitliche Aufwand für die Pflege gemessen, sondern auch der Grad der Selbstständigkeit in sechs Lebensbereichen bewertet. Diese Bereiche umfassen:
- Mobilität,
- kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
- Selbstversorgung,
- Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie die
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
Insbesondere Menschen mit Demenz und anderen kognitiven Einschränkungen profitieren von der gerechteren Bewertung ihrer Situation, da das System eine umfassendere Betrachtung der individuellen Pflegebedürftigkeit ermöglicht. Die 5 Pflegegrade sind in SGB XI verankert.
Wann sollte ein Pflegegrad beantragt werden?
Die Pflegebedürftigkeit wird in verschiedenen Pflegegraden, von 0 bis 5, festgestellt. Je pflegebedürftiger ein Mensch ist, desto höher ist der zugeteilte Pflegegrad. Das bedeutet aber auch, dass ich mit der Beantragung eines Pflegegrades nicht warten muss und sollte, bis gar nichts mehr geht.
Sobald Sie merken, dass Sie selbst oder ein Angehöriger in ihrem Alltag zunehmend auf Hilfe angewiesen sind, sollten Sie einen Pflegegrad beantragen. Wichtig ist, den Antrag so früh wie möglich zu stellen, da Leistungen frühestens ab dem Tag der Antragstellung gewährt werden können.
Wo und wie beantrage ich einen Pflegegrad?
Der Pflegegrad wird bei der Pflegekasse beantragt. Die Pflegekasse gehört zu Ihrer Krankenkasse. Ist die pflegebedürftige Person zum Beispiel bei der AOK versichert, genügt es, wenn Sie die AOK kontaktieren und um Weiterleitung Ihres Antrags an die Pflegeversicherung bitten.
Sie können einen formlosen Antrag bei der Pflegekasse per Telefon, E-Mail, Fax oder Brief stellen.
Formulierungsbeispiel:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit stelle ich [im Namen von XY] einen Antrag auf Leistungen der Pflegekasse. [Meine Bevollmächtigung übersende ich Ihnen anbei.] Bitte leiten Sie diesen Antrag an Ihre Pflegekasse weiter und vereinbaren einen Begutachtungstermin mit mir.
Mit freundlichen Grüßen
Achtung: Aus Gründen der Beweissicherung empfehlen wir Ihnen den Antrag bei der Pflegekasse nicht telefonisch zu stellen. Schreiben Sie lieber eine E-Mail oder senden Sie ein Fax. Dann können Sie den Zugang bei der Pflegekasse beweisen.
Wie geht es nach dem Antrag auf Pflegeleistungen bei der Pflegeversicherung weiter?
Die Pflegekasse prüft Ihren Antrag und beauftragt einen Gutachter des Medizinischen Dienstes (MD) oder von MEDICPROOF eine Begutachtung durchzuführen. Die Entscheidung über den Pflegegrad und die damit verbundenen Leistungen basiert auf diesem Gutachten. Dementsprechend ist es essentiell, um die zustehenden Leistungen der Pflegeversicherung zu bekommen, bei der Begutachtung wahrheitsgemäß zu antworten und nichts beschönigt darzustellen.
Begutachtung durch den Medizinischen Dienst: Was erwartet mich?
Der Gutachter bewertet die Pflegebedürftigkeit in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens. Es ist hilfreich, ein Pflegetagebuch zu führen und vorhandene medizinische Unterlagen bereitzustellen, um die Begutachtung zu unterstützen. Gutachter nutzen zur Bewertung der Selbstständigkeit ein Begutachtungsinstrument bestehend aus den oben genannten 6 Modulen. Mit Hilfe dieses Instruments stellt der Gutachter Fragen und versucht so die Situation zu erfassen. Diese Begutachtung findet in den meisten Fällen im häuslichen Umfeld der/des Pflegebedürftigen statt. Angehörige und/oder Pflegepersonen können und sollten nach Möglichkeit bei dem Gespräch dabei sein. Bei Begutachtungen im Widerspruch oder für einen Höherstufungsantrag, kann der Medizinische Dienst eine telefonische Begutachtung vorschlagen. Weitere Informationen und Hinweise zum Begutachtungstermin finden Sie in diesem Artikel.
Führen eines Pflegetagebuchs
Mindestens eine, besser zwei Wochen vor dem Termin zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit sollten Sie als pflegebedürftige Person oder als Angehörige damit beginnen, ein Pflegetagebuch zu führen. Denn die Erfahrung zeigt: Im Moment der Prüfung versuchen pflegebedürftige Menschen häufig besonders gut abzuschneiden und wollen unbedingt beweisen, wie selbstständig sie noch sind. Das führt dazu, dass sie die eigene Lage häufig besser darstellen, als sie tatsächlich ist. Bei der Prüfung geht es aber gerade darum, den wirklichen Bedarf an Pflege zu beurteilen. Ein Pflegetagebuch kann da als Stütze dienen und zeigt dem Gutachter benötigte Hilfestellungen und Problemlagen auf. In den ein bis zwei Wochen vor dem Termin dokumentieren Sie einfach den täglichen Pflegeaufwand.
Tipps für Angehörige: Wie Sie beim Pflegegrad beantragen unterstützen können
Angehörige spielen eine wichtige Rolle im Antragsprozess. Sie können helfen, indem sie Unterlagen sammeln, bei der Stellung des Antrags assistieren und emotionale Unterstützung bieten. Außerdem ist es empfehlenswert als angehörige Person bei der Begutachtung vor Ort zu sein, um die eigene Sicht der Dinge zu schildern und um in dieser außergewöhnlichen Situation zu unterstützen.
Bearbeitungsdauer Pflegegradantrag
Innerhalb von 25 Arbeitstagen muss die Pflegeversicherung eine Entscheidung zu Ihrem Antrag treffen. Andernfalls steht Pflegebedürftigen möglicherweise eine Entschädigungszahlung zu. Der Anspruch auf Pflegeleistungen besteht, bei Eingang des positiven Bescheids, rückwirkend ab Tag der Antragstellung.
Welche Pflegeleistungen stehen mir mit einem Pflegegrad zu?
Je nach Pflegegrad haben Sie Anspruch auf verschiedene Leistungen für die ambulante bzw. häusliche oder die stationäre Pflege. Ab Pflegegrad 2 stehen Pflegebedürftigen Leistungen wie z.B. Pflegegeld, Sachleistungen oder Verhinderungspflege zu. Die Beträge für die einzelnen Leistungen aus der Pflegeversicherung sind bei Pflegegrad 5 am höchsten.
Das steht Ihnen bei den jeweiligen Pflegegraden zu:
Pflegegrad für Kinder beantragen
Auch Kinder können Anspruch auf einen Pflegegrad haben. Dafür müssen die Eltern/Erziehungsberechtigten den Pflegegrad bei der jeweiligen Pflegeversicherung beantragen. Da Kinder grundsätzlich weniger Selbstständigkeit aufweisen als Erwachsene, werden die Beeinträchtigung ihrer Selbstständigkeit bis zu einem Alter von 11 Jahren bei der Begutachtung in Relation zu altersentsprechend enwickelten Kindern gesetzt. Kinder bis zum Alter von 18 Monaten gelten als unselbstständig. Dennoch können auch Sie in einen Pflegegrad eingestuft werden. Dafür werden die Bereiche des Begutachtungsinstruments herangezogen, die vom Alter unabhängig sind. Kinder ab 11 Jahren werden nach dem normalen Begutachtungsinstrument bewertet. Grund dafür ist, dass Kinder ab diesem Alter als selbstständig in den Bereichen gelten, die mit Hilfe des Begutachtungsinstruments überprüft werden.
Antrag auf Höherstufung des Pflegegrads bei der Pflegekasse: Wann und wie?
Eine Höherstufung kann beantragt werden, wenn sich der Pflegebedarf erhöht hat. Der Prozess ähnelt der Erstantragstellung, wobei ein neues Gutachten erforderlich ist, um die veränderte Situation zu bewerten.
Pflegegrad abgelehnt – Widerspruch einlegen
Wird Ihr Antrag auf den Pflegegrad bzw. der Antrag auf Pflegeleistungen, abgelehnt oder sind Sie mit dem zugewiesenen Pflegegrad nicht einverstanden – beispielsweise weil Sie Pflegegrad 3 erhalten haben, aber vermutlich zu Pflegegrad 4 berechtigt wären, haben Sie das Recht, Widerspruch einzulegen. Die Frist hierzu beträgt einen Monat ab Erhalt des Bescheids der Pflegekasse. Ein gut begründeter Widerspruch kann zu einer erneuten Überprüfung und möglicherweise zu einer anderen Entscheidung führen.
Wurde Ihr Pflegegrad falsch berechnet?
You can lodge an objection through us without the risk of legal fees.
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Fazit
Das Stellen des Antrags auf einen Pflegegrad oder die Höherstufung kann komplex sein, doch mit dem richtigen Wissen und Vorbereitung können Sie als Antragsteller den Prozess erfolgreich meistern. Nutzen Sie die verfügbaren Ressourcen, bereiten Sie sich gut auf die Begutachtung vor und zögern Sie nicht, Unterstützung so früh wie möglich anzufordern, wenn Sie diese benötigen. Sollte die Pflegekasse nicht rechtzeitig entscheiden, oder einen zu niedrigen Pflegegrad vergeben, besteht unter den jeweiligen Umständen die Option auf Pflegeentschädigung oder einen Pflegegradwiderspruch.